Warnung vor Verschiebung von Früherkennungsuntersuchungen
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) macht eindringlich darauf aufmerksam, dass es aufgrund von Ängsten vor einer möglichen Ansteckung mit dem COVID-19 Erreger nicht zu einer Verzögerung von Früherkennungsuntersuchungen, Terminen zur Diagnostik und der frühzeitigen Behandlung von Tumorerkrankungen kommen darf.
Immer noch werden Therapien in Krankenhäusern und Praxen verschoben. Dies kann schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben, warnen Spezialisten einer Corona Task Force der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Es ist zu erwarten, dass weniger Krebserkrankungen im Frühstadium erkannt werden, da die Anzahl der Screening Untersuchungen deutlich gesunken ist, insbesondere bei Brust- und Darmkrebstumoren. Werden Symptome nicht frühzeitig abgeklärt oder Vorsorgetermine abgesagt, wird es in Deutschland zu einem Anstieg von Krebserkrankungen im fortgeschrittenem Stadium sowie einer höheren Sterblichkeitsrate kommen. Dies sei in den allermeisten Fällen weitaus lebensbedrohlicher als eine Coronainfektion. Bereits jetzt schlagen Mediziner Alarm, dass beispielsweise Leukämiepatienten Komplikationen aufweisen, die es vor der Pandemie nicht in dieser Form gab, da die Frühdiagnostik oder die Verlaufskontrollen ausgesetzt worden. Auch wenn viele Patienten während der Pandemie beunruhigt sind, ist von einem Therapieaufschub dringend abzuraten. Kliniken und Praxen sind auf die neue Situation eingestellt und treffen alle erforderlichen Vorsichts- und Schutzmaßnahmen, um einen reibungslosen Ablauf für Diagnostik und Therapien zu gewährleisten. So werden Behandlungen zeitlich und räumlich von anderen Patienten getrennt. Wenn es medizinisch vertretbar ist, kann in einigen Fällen auch eine telefonische oder telemedizinische Beratung stattfinden, so dass Patienten nicht in die Praxis kommen müssen.
Schwere Verläufe einer COVID-19 Erkrankung bei Krebspatienten mit Risikofaktoren
Es ist zwar in ersten Studien bewiesen, dass Krebspatienten bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 besonders gefährdet sind, schwer an COVID-19 zu erkranken oder gar zu sterben. Dennoch darf die Therapie nicht beeinträchtigt werden, bestätigt ein Team um Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal von der Klinik für Innere Medizin II (Hämatologie und Internistische Onkologie) des Universitätsklinikums Jena. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) rät in ihrer aktuellen Leitlinie „Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen“, besonders die Anweisungen zur hygienischen Händedesinfektion und zur freiwilligen Isolation ernst zu nehmen.
Wie in Onlineportal „Medscape“ im Interview mit Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Fachärztin für Hämatologie und Onkologie sowie stellvertretende Leiterin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Campus Virchow Klinikum klargestellt wurde, seien nicht alle Krebspatienten gleichermaßen gefährdet. Vor allem diejenigen mit einem geschwächten Immunsystem, beispielsweise aufgrund niedriger Immunglobinwerte, langfristiger Einnahme von Medikamenten, die das Immunsystem unterdrücken (z.B. Kortison), nach Transplantation allogener Stammzellen oder ähnlicher Therapien sowie Leukämieerkrankungen, gehören zur Risikogruppe. Weiterhin spielen aber genauso das Alter, Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht eine entscheidende Rolle, dass eine COVID-19 Erkrankung einen schweren Verlauf haben kann. Ebenso zählen Krebspatienten, die im Monat zuvor eine Chemotherapie und/oder Operation erhalten hatten, dazu, berichtet das Fachblatt „Lancet Oncology“.
Krebsbehandlung hat Vorrang
„Dennoch ist bei den meisten akut an Krebs erkrankten Patienten der Nutzen einer sinnvollen und geplanten Therapie größer als das Risiko einer möglichen Infektion mit Coronaviren“, sagt die Charité-Medizinerin Scheibenbogen. Die Behandlung muss immer wieder in Abwägung an das Infektionsrisiko und der Tumortherapie an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden.
Dazu hat die DGHO in ihrer Leitlinie verschiedene Faktoren zusammengestellt. So sollte eine geplante Therapie nicht verschoben werden, wenn:
• das Therapieziel kurativ ist,
• die Krebserkrankung aktiv oder lebensbedrohlich ist,
• das Rezidivrisiko hoch ist,
• die Therapie nicht immunsuppressiv ist,
• keine erhöhte Ansteckungsgefahr für Sars-CoV-2 besteht und
• der Patient keine weiteren allgemeine oder Corona-spezifische Risikofaktoren aufweist.
Die Gesellschaft verweist darauf, dass für das Überleben der Patienten die Behandlung an erster Stelle steht und nicht durch Verschiebungen von Behandlungen gefährdet werden darf. Tritt bei einem Krebspatient eine COVID-19 Erkrankung auf, sollten alle Maßnahmen wie eine Unterbrechung der Therapie so lange anhalten, bis die Patienten keine virusbedingten Symptome mehr hätten und nachgewiesen negativ seien. Wichtig ist dabei, besonders auf eine gesundheitsbewusste Lebensweise bei den Betroffenen zu achten. Dazu gehören der Ernährungsstatus, vor allem Eisen- und Vitamin D-Zufuhr sowie eine Impfung gegen Pneumokokken (Bakterielle Form der Lungenentzündung). Bewegung, je nach Möglichkeiten der Patienten, sowie Atemtherapie sind hilfreich.