Ist ein Mammografie-Screening ratsam?
Mehr als 2,5 Millionen Frauen nehmen in Deutschland jedes Jahr am Mammografie-Screening teil. Dazu werden Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren eingeladen. Ziel ist es, kleinste Veränderungen, die auf ein Karzinom hinweisen können, frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Bei circa 130.000 Frauen ist der Befund auffällig, so dass eine Gewebeentnahme veranlasst wird. Bei der Hälfte dieser Biopsien wurde Brustkrebs diagnostiziert.
Wie im JAMA Network Open in einem Artikel von Burton und Stevenson* berichtet wurde, untersuchten australische Wissenschaftler die relative Risikoreduktion eines Mammografie-Screenings gegenüber der Risikoreduktion durch eine adjuvante Therapie (endokrine oder Chemotherapie) bei Frauen mit einem frühen Mammakarzinom.
Das Ergebnis überrascht auf dem ersten Blick.
Entgegen der weitläufigen Annahme, dass ein Mammografie-Screening für eine Reduktion der Sterberate verantwortlich sei, zeigt die Studie, dass die adjuvante Therapie besser abschneidet.
Doch was bedeutet nun dieses Ergebnis?
Das Ergebnis der Studie ist mit Vorsicht zu interpretieren, da die Teilnahmerate am Mammographie-Screening in Australien bei nur ca. 50 % liegt. Folgetermine wurden auch nur in 60 % der Fälle wahrgenommen. Hier besteht ein deutlicher Unterschied zu den Teilnahmeraten in Deutschland, die insgesamt bei Werten über 80 % erfasst werden. Leider liegen auch keine Ergebnisse der australischen Studie bezüglich des sozioökonomischen Status vor, sodass eine genaue Einschätzung der Effekte des Screenings nicht vorgenommen werden können.
In Deutschland hat sich nach einer aktuellen ersten Auswertung des seit 2009 systematisch eingeführten Mammographie-Screening eine Senkung der prognostisch ungünstigen Stadien UICC II von 56 % auf 21 % im Vergleich zu vor Einführung des Screenings entdeckten Karzinome ergeben.**
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich ausdrücklich für eine Mammografie aus, da aufgrund der frühzeitigen Erkennung sehr kleiner Tumore eine Heilung in 90 % der Fälle erfolgt. Dennoch bietet eine Mammografie keinen hundertprozentigen Schutz. Bei sogenannten Intervallkarzinomen, welche zwischen zwei Screeningterminen entstehen können, kann nicht vorhergesagt werden, dass in den kommenden zwei Jahren kein Brustkrebs auftritt. Deshalb ist die regelmäßige Selbstuntersuchung der Brust als auch regelmäßige gynäkologische Vorstellungen weiterhin sehr wichtig.
Es ist zudem nicht auszuschließen, dass das Screening auch falsch positive Befunde generiert. Dieser Krebsverdacht stellt eine enorme psychische Belastung für die betroffenen Frauen dar. Ebenso sind falsch negative Befunde leider nicht auszuschließen. Auch Übertherapien aufgrund von Screeningdiagnosen von nicht behandlungsrelevanten werdenden Karzinomen oder Nebenwirkungen der Therapien gehören zu den Nachteilen dieser Diagnostik. Dies muss in die Aufklärungsgespräche eines Mammographie-Screenings stets berücksichtigt und entsprechend aufgeklärt werden.
Dennoch steht außer Frage, aufgrund der Studienergebnisse sowie der möglichen Nachteile generell auf ein Mammografie-Screening zu verzichten. Es muss im Gesamtkonzept im Rahmen der o.g. weiteren diagnostischen Schritte einbezogen werden.
Ein wichtiges Ergebnis der australischen Studie kann aber ganz klar unterstrichen werden: Sowohl die adjuvante endokrine als auch Chemotherapie tragen zu einer deutlichen Verbesserung des Überlebens an Brustkrebs bei.
* Assessment of Breast Cancer Mortality Trends Associated With Mammographic Screening and Adjuvant Therapy From 1986 to 2013 in the State of Victoria, Australia
** Heindel, W., Bock, K., Hecht, G. et al. Systematische und qualitätsgesicherte Früherkennung des sporadischen Mammakarzinoms. Radiologe 61, 126–136 (2021). https://doi.org/10.1007/s00117-020-00803-1