Was man über Sepsis wissen sollte
Jährlich erkranken allein in Deutschland ca. 300.000 Menschen an einer Blutvergiftung. Mit einer Mortalitätsrate von bis zu 75.000 zählt die Sepsis hierzulande zur dritthäufigsten Todesursache.
Eine lebensbedrohliche Blutvergiftung kann entstehen, wenn Bakterien in den Blutkreislauf gelangen. Hervorgerufen wird dieser Zustand durch eine fehlregulierte Immunantwort des Körpers. Hierbei werden Gewebe und Organe geschädigt, was innerhalb von Stunden zu Organversagen führen kann. Dieses Kriterium unterscheidet die Sepsis von einer unkomplizierten Infektion.
Wie entsteht eine Sepsis?
Ursache einer Blutvergiftung ist immer eine Infektion, ausgelöst durch einen aufgekratzten Insektenstich, einer eitrigen Wunde, nach einer Zahn OP, einen Infekt, Harnwegs-, Nasennebenhöhlen-, Gallenblasen- oder Lungenentzündungen, einen geplatzten Blinddarm, Magen-Darm-Erkrankungen und viele andere Infektionen. Die häufigsten Herde von septischen Infektionen sind die Atemwege, Haut- und Weichteilgewebe, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt. Auch nach Operationen und anderen medizinischen Eingriffen kann eine Sepsis entstehen. Dabei gelangen Erreger wie Bakterien, Viren oder Pilze in die Blutbahn. Normalerweise gelingt es dem Körper, erfolgreich diese Keime zu beseitigen. Bei einer Sepsis verteilen sich jedoch die Keime über die Blutgefäße. Die weißen Blutkörperchen setzen Gifte und Botenstoffe frei, die die Erreger bekämpfen, aber auch kleine Blutgefäße schädigen, so dass diese regelrecht porös werden. Große Mengen Flüssigkeit gelangen so ins Gewebe, die Blutgerinnung funktioniert nicht normal. Kleinste Blutgerinnsel verstopfen die Gefäße im gesamten Körper. Infolgedessen entsteht akuter Sauerstoffmangel, was zu einer lebensbedrohlichen Störung der Organfunktionen bis hin zum septischen Schock führt.
Wie erkennt man eine Sepsis?
Die Symptome einer Sepsis sind mitunter sehr unspezifisch. Es können Fieber, Schüttelfrost, Herz-rasen, schneller Puls, niedriger Blutdruck, Verwirrtheit und Atemprobleme auftreten. Zudem kann sich die Sepsis bei den einzelnen Betroffenen sehr unterschiedlich zeigen. Typisch sind erhöhte Entzündungswerte im Blut. Leider wird eine Blutvergiftung oft nicht als solche erkannt, sondern anderen Erkrankungen wie einer Grippe zugeordnet. In etwa 12 Prozent der Fälle treten die typischen Symptome gar nicht auf. Insbesondere bei älteren Menschen werden Erscheinungen wie Verwirrtheit und eingeschränkte Organfunktion falsch diagnostiziert, was kostbare Behandlungszeit kostet und im schlimmsten Fall tödlich enden kann.
Ein typisches Alarmsignal ist eine plötzlich auftretende Verwirrtheit, welche bei einem schweren Krankheitsgefühl wie bei einer Grippe untypisch ist. Hier muss sofort gehandelt werden, um ein Organversagen rechtzeitig zu vermeiden.
Übrigens: Wie oft angenommen, erkennt man eine Blutvergiftung nicht an einem blauen oder roten Strich von einer Wunde zum Herzen führend. Dies ist meist ein Symptom einer entzündeten Lymphbahn. Unbehandelt kann sich daraus jedoch auch eine Blutvergiftung entwickeln, da die Lymphbahnen in eine Vene (Blutgefäß) münden.
Gibt es Menschen, die besonders gefährdet sind?
Prinzipiell kann jeder eine Sepsis bekommen, ab einem Alter von 50 Jahren steigt jedoch die Gefahr. Es gibt allerdings verschiedene Faktoren, die die Entstehung und den Verlauf begünstigen können. Laut der sepsis-hilfe.e.V. lassen sich die Risikogruppen folgendermaßen unterteilen:
Patienten mit geschwächtem Immunsystem, z. B.
- Neugeborene und kleine Kinder (betrifft vor allem das erste Lebensjahr)
- ältere Menschen (mit steigender Häufigkeit bei den über 60-Jährigen)
- Menschen, die keine (funktionierende) Milz besitzen
- Menschen, die bestimmte Medikamente nehmen müssen (z. B. zur Behandlung von Rheuma)
- Menschen, die ein Organ transplantiert bekommen haben
- Menschen mit AIDS
Menschen mit chronischen Erkrankungen, z. B.
- Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
- Krebs
- Nieren- oder Lebererkrankungen
- Atemwegserkrankungen, v. a. mit Kortison o. Ä. behandelt
- Abhängigkeitserkrankungen (Alkohol, Drogen)
Menschen mit Eintrittspforten für Erreger, z. B.
- offene Wunden nach einer Operation
- schwere innere oder äußere Verletzungen
- großflächige Verbrennungen
- Menschen mit liegendem Katheter oder Drainage
Die richtige Behandlung
Bei Verdacht auf eine Blutvergiftung wird Blut abgenommen. Im Brutschrank werden die Keime vermehrt, um die Art des Erregers zu bestimmen. Jedoch gelingt dies nur in 30 bis 40 Prozent der Fälle. Nach aktuellem Stand stehen nur begrenzte Medikamente zur Verfügung, die das Fortschreiten der Sepsis so lange in Schach halten, bis die Keime identifiziert und geeignete Antibiotika gegeben werden können. Schon bevor die Ergebnisse vorliegen, wird deshalb meist auf Verdacht mit Antibiotika behandelt, die gegen viele verschiedene Keime wirken. Die Akutbehandlung umfasst Beatmung, Blutwäsche, Kreislaufunterstützung, Gerinnungstherapie und künstliches Koma, um die Organfunktion zeitweise zu unterstützen. Je frühzeitiger die Therapie beginnt, desto höher ist die Überlebenschance. In der ersten Stunde beträgt sie noch 80 Prozent. Mit jeder Stunde sinkt die Überlebenschance. Jeder dritte Patient überlebt diese Erkrankung nicht, bei einem septischen Schock sogar jeder zweite.
Langzeitfolgen können schwerwiegend sein
Die Erholungsphase nach einer überstandenen Sepsis kann sehr lange, mitunter Jahre, dauern. Zu den Spätfolgen zählen chronische Erschöpfung, Appetitlosigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, Bewegungseinschränkungen und kognitive Defizite.
„Drei Viertel aller Überlebenden leiden in den ersten 12 Monaten nach der Sepsis oder auch länger unter neuen körperlichen, seelischen und kognitiven Beeinträchtigungen“, sagte Dr. Carolin Fleischmann-Struzek vom Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena. Ein Drittel der Patienten, die vor der Erkrankung nicht pflegebedürftig waren, benötigten etwa ein Jahr nach der Erkrankung noch Hilfe bei der Pflege. Die postakute Sterblichkeitsrate innerhalb des ersten Jahres liegt bei 30,5%.
In schweren Fällen können Organschäden und Durchblutungsstörungen oder Verlust von Extremitäten das weitere Leben dauerhaft beeinträchtigen.
Ist eine Sepsis vermeidbar?
Laut WHO wären die meisten Fälle eines tödlichen Verlaufs vermeidbar. Um die Wahrnehmung für diese Erkrankung in der Bevölkerung zu stärken, wurde 2017 die Sepsis-Resolution der WHO ins Leben gerufen. Diese zeigt auf, dass Sepsis ein schnellstmöglich zu behandelnder Notfall ist. Aber auch die Stärkung des Bewusstseins in der Bevölkerung für diese lebensbedrohliche Erkrankung ist enorm wichtig. Aus diesem Grund findet hierzulande aktuell die vom Aktionsbündnis Patientensicherheit und weiteren Organisationen initiierte und vom Bundesgesundheitsministerium unterstützte Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ statt.
Was gibt es Neues aus der Forschung?
In Jena (Thüringen) forschen Ärzte und Wissenschaftler gemeinsam an optischen Methoden, welche binnen weniger Stunden den für die Sepsis verantwortlichen Keim identifizieren und bewerten, ob dieser gegen bestimmte Antibiotika resistent ist. Bisher liegen diese Befunde erst nach 24 bis 48 Stunden vor. Die somit gewonnene Zeit könnte vielen Betroffenen das Leben retten oder vor schwerwiegenden Langzeitfolgen bewahren.
Quellenverzeichnis:
▪ www.ndr.ratgeber/gesundheit/Blutvergiftung-sepesis-erkennen.de
▪ sepsis-hilfe e.V.